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Jan Arnošt Smoler
Die Lausitzer Serben erhielten das Christentum zuerst von den Slawen

Dieser Aufsatz von J. A. Smoler stammt aus der “Zeitschrift für slavische Literatur, Kunst und Wissenschaft”, Band 2 (1864), die von Smoler in Bautzen herausgegeben wurde, jedoch Beiträge von bekannten Panslawisten aus vielen Ländern enthielt. In diesem Beitrag versucht Smoler anhand sprachlicher und historischer Überlegungen zu beweisen, dass die Lausitz von slawischer Seite aus christianisiert wurde. Diese Theorie ist bis heute äußerst umstritten, vor allem seine linguistischen Argumente jedoch bemerkenswert. Im historischen Teil scheint sich Smoler im Gewirr von Jahreszahlen und Völkerschaften zu verirren und kommt zu so mancher Aussage, die nach dem heutigen Stand der Forschung unhaltbar wäre. Dennoch ist der Aufsatz als Versuch, die Verbundenheit der Lausitzer Sorben mit ihren slawischen Nachbarvölkern zu vertiefen und zu festigen, ein interessantes zeitgeschichtliches Dokument.

Der Text wurde leicht verändert und an die moderne Rechtschreibung angepasst; einige heute unbekannte Wörter und Wendungen wurden ausgetauscht. Das Original ist hier online verfügbar.

(Aus der in serbischer und deutscher Sprache erschienenen Schrift: “Welches ist die Lehre des athanasianischen Symbolums von der dritten Person in der Gottheit und wie wurde sie von lausitzisch-serbischen Theologen sprachlich aufgefasst?”)

Das Christentum erhielten die Lausitzer Wenden¹ von zwei Seiten: zuerst von den Slawen und später von den Deutschen. Dass ihnen Deutsche im 13. Jahrhundert die Lehre Christi verkündigten und ihr Gebiet diesseits der Elbe vollends kirchlich organisierten, darüber haben wir so klare Zeugnisse, dass es unnötig wäre, dieses noch genauer nachzuweisen; wann und wie jedoch die Wenden das heilige Evangelium von slawischer Seite erhielten, dafür mangelt es fast an allen unmittelbaren Zeugnissen.

Wir wissen wohl, dass die Böhmen (Tschechen) im 9. Jahrhundert das Christentum annahmen und dass sich die Wenden damals zu ihnen hielten und später zeitweise sogar zu Böhmen gehörten. Wir wissen ferner, dass die Gegend von Zittau unter dem böhmischen Kirchenregiment stand, und dass es daher nicht gut anders sein konnte, als dass sie von Böhmen aus das Christentum erhalten haben musste. Außerdem ist es genügend bekannt, dass Boleslaw der Kühne, Herzog von Polen, ein eifriger Christ war und dass er in allen ihm unterworfenen Ländern das Christentum auf alle Weise zu verbreiten trachtete.² Es gehörten aber die Oberlausitz und Meißen während seiner Regierung vom Jahre 1102-1132 zu Polen und es ist daher sehr wahrscheinlich, dass Boleslaw auch im Wendenland das Christentum mit aller Macht gefördert hat.

Aus der politischen Lage des Wendenlandes vom 9. bis zum zweiten Drittel des 12. Jahrhunderts lässt sich daher folgern, dass schon damals das Christentum unter den Wenden Macht gewonnen hatte, und man darf dies noch mit größerer Wahrscheinlichkeit aus den Worten schließen, deren sich der Bischof Thietmar von Merseburg in seiner Chronik bedient. Er schreibt dort: “Die Böhmen waren unter der Regierung Svatopluks einst unsere Herren. Ihnen ward von unseren Vorfahren ein jährlicher Zins gezahlt, und jener hatte auch in seinem Lande Marierun (Mähren) Bischöfe.” Es ist aber bekannt, dass unsere Wenden zu Svatopluks großmährischem Reich gehörten, und wenn Thietmar bezeugt, das Christentum habe damals in Mähren geblüht, so zeugt er auch mittelbar dafür, dass die christliche Lehre auch in den zu Mähren gehörenden Ländern, also auch in der Lausitz, mehr oder weniger zahlreiche Bekenner hat haben müssen. Übrigens, wenn uns auch in solcher Beziehung die historischen Zeugnisse nicht klar genug sein sollten, so haben wir eine andere Quelle, aus welcher die volle Wahrheit der Behauptung hervorgeht, dass die Wenden in der Tat das Christentum von den Slawen erhielten, und diese Quelle ist die wendische Sprache.

Es ist allgemein anerkannt, dass ein Volk, wenn es neue Begriffe aus der Fremde erhielt, auch dafür zugleich die für diese Begriffe in der Fremde existierenden Ausdrücke annahm. Wir sehen dies z.B. an dem neueren Militärwesen. Weil dieses aus Frankreich zu uns kam, besteht unsere militärische Terminologie auch fast nur aus lauter französischen Ausdrücken, und es sieht sich jeder, wenn er es auch vorher nicht wissen sollte, woher sich das neue Militärwesen schreibt, durch dessen technische Ausdrücke sozusagen genötigt, bald auf den ersten Anblick seine französische Herkunft anzuerkennen. Das heißt in kurzen Worten: Weil unser neueres Militärwesen seine Terminologie beinahe durchgängig aus der französischen Sprache genommen hat, so hat es auch beinahe durchgängig aus Frankreich selbst zu uns kommen müssen. Das ist eine Folgerung, welche gelten würde, auch wenn uns dazu jedes geschichtliche Zeugnis fehlen sollte. Wird dieses aber in einem Fall als wahr anerkannt, so kann es in einem anderen analogen Fall nicht unwahr sein. Wir wollen daher untersuchen, woher die Wenden ihre kirchliche Terminologie erhielten, ob von den Slawen oder von den Deutschen.

¹  Unter Wenden sind hier allemal die lausitzischen Serben, welche sich Łužiscy Serbja nennen, zu verstehen.
² Entweder irrt sich Smoler mit dem Herrschernamen oder mit den Jahreszahlen. In der von ihm angegebenen Zeit herrschte Boleslaw Schiefmund, nicht Boleslaw der Kühne. Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass sich Smoler auf die erste Hälfte des 11. Jahrhunderts (nicht des 12.) bezieht, in der die Oberlausitz zu Polen gehörte.


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